Die "Blauen Monster." Die Kiruna Lokomotiven und ihr Modell.

Das in den Minen um Kiruna / Schweden abgebaute  Eisenerz, wird mit der "Erzbahn" zu dem Erzhafen Sandskär / Lulea am Bottnischen Meerbusen und zu dem Erzhafen Narvik in Norwegen transportiert.

Auf der 473 km langen, eingleisigen Bahnstrecke zwischen den Erzhäfen und den Erzverladestellen Vitafors,Svappavaara und Sjöbangärden, ziehen "Blaue Monster" mit einem Eigengewicht von 360 to, 68 spezielle, beladene Erzwagen mit einem Gesamtgewicht von 8160 to.

Das Foto zeigt die erste ausgelieferte Doppellok mit den Betriebsnummern 101 - 102.  

Adtranz - ABB Daimler-Benz Transportation - erhielt 1994 von  der schwedischen MTAB des staatlichen Erzförderers LKAB den Auftrag, 9 Elektrolokomotiven zu liefern, die die alten wartungsintensiven und in die Jahre gekommenen dreigliedrigen Dm3 Elektroloks von ASEA ersetzen sollten. Der Einzelpreis der Lok mit Ersatzteilen betrug zur damaligen DM-Zeit, 16,5 Millionen. 

Durch die ausländische Konkurenz der Erzlieferanten war man gezwungen, die Erztransportkosten durch größere Erzmengentransporte pro Zug zu minimieren. Die bisher eingesetzten Elektroloks Dm3, konnten nur Züge mit maximal 52 Wagen und einem Erzgewicht von 5200 to bewegen.

Bedingung des Auftrages war, dass die erste neue Elektrolok in Schweden erst umfangreiche Tests unter arktischen Bedingungen zu bestehen hatte, bevor die 8 weiteren Loks bis 2004 ausgeliefert werden sollten.

An der Entwicklung der aus 2 einzelnen Loks bestehenden Doppellok beteiligten sich die Adtranzstandorte in Kassel, Siegen, ABB Västreas / Schweden und Oerlikon / Schweiz. Der Lokkasten wurde in Polen gefertigt, die Drehgestelle in Siegen und die elektrische Traktionsausrüstung lieferte Oerlikon. Die Endmontage der Lok erfolgte in Kassel.

Daten der Doppellokomotive :

  • Baureihenbezeichnung IORE, abgeleitet aus dem englischen ore für Metall / Erz

  • Betriebsnummern : 101 für die 1.Lokhälfte, 102 für die 2.Lokhälfte, 117 und 118 für die 9.Doppellok

  • Leistung : 2 x 5.400 kW = 2 x 7.344 PS

  • Stromsystem : 15 kV 16 2/3 Hz

  • Antrieb : 2 x 6 Drehstromasynchronmotore a 900 kW

  • Stromrichter : wassergekühlte GTO-Stromrichter

  • Hilfsbetriebestromrichter : wassergekühlte IGBT-Stromrichter

  • Leittechnik : Mitrac

  • Fahrstufen : stufenlos

  • Bussysteme : Innerhalb einer Lok MVB, zwischen den beiden Lokhälften WTB

  • Zugsicherungssystem : ATC für den Betrieb in Schweden und Norwegen

  • Sprechfunksystem : In  den beiden Führerständen GSM-R

  • Zugkraft : 2 x 600 kN bei Normalbetrieb, 2 x 700 kN bei Anfahrbetrieb an schwierigen Stellen

  • Bremssysteme : Elektrischen Nutzstrombremse ( Rückspeisung in den Fahrdraht )

  • Bremskraft : 2 x 375 kN bei beladene Erzzüge, 2 x 175 kN bei unbeladenen Erzzügen

  • Höchstgeschwindigkeiten : 80 km/h wenn die Lok alleine fährt, 70 km/h mit leerem Erzzug, 60 km/h mit beladenem Erzzug

  • Besondere Ausrüstung in jeder Lokhälfte : Sanitäreinrichtung mit Toilette, Spezialisolierung, Notheizung und Notbeleuchtung

  • Besondere Ausrüstung im Führerstand jeder Lokhälfte : Klimatisierter, schallisolierter Führerstand mit Kochplatte, Kühlschrank und Autoradio

  • Radsatzanordnung : Co'Co' + Co'Co'

  • Drehgestellbauart : Flexfloat

  • Verschiebbare Achsen in jedem Drehgestell : Endachsen um 15 mm, Mittelachse um 20 mm

  • Übertragung der Zug- und Bremskräfte : Über elastisch gelagerte Zugdruckstangen

  • Achslast : 30 to

  • Gewicht Lokkasten : 44 to

  • Dienst-/Adhäsionsgewicht : 2 x 180 to

  • Länge der Doppellok : 2 x 23 m

  • Baujahr für die ersten 9 Loks : 2000 - 2004

Die IORE Loks sind mit 1400 kN Zugkraft die stärksten Elektrolokomotiven der Welt. Eine Besonderheit der IORE Doppelloks besteht darin, dass man die Lokhälften auch außerhalb der Werkstätten trennen und allein vor Züge spannen kann.

Das Foto zeigt den Lokteil 102 der Doppellok 101 - 102, vor einem leeren Erzzug.

Ferner ist es mit der Doppellok möglich, selbst bei nur 3 betriebsfähigen Drehgestellen mit 9 Fahrmotore, die Fahrpläne der Erzzüge einzuhalten.

Um bei Fahrten in Schneeverwehungen oder bei Kollosionen mit bis zu 400 kg schweren Elchen die hohe Zugkraft ausüben zu können, wurden zusätzlich zu  den 25 mm starken Stirnwänden und 18 mm starken Seitenwänden des Lokkasten, Ballastgewichte angebracht. So wurden über den Drehgestellen schwere Stahlplatten angeordnet und zum zusätzlichen Schutz des Transformators, 2 weitere 3 to schwere Ballastgewichte vor und hinter ihm angebracht.

Weil in den Erzhäfen bisher Entgleisungen der älteren Dm3 Loks öfters vorkamen, erhielten die Drehgestelle der IORE Loks jeweils vor der ersten Achse einen starken Stahlbalken. Diese sollten verhindern, dass die Lok im Entgleisungsfall zur Seite kippen konnte.

Nach den Erfahrungen mit den neuen IORE Loks bestellte die MTAB im August 2007 vier weitere Lokpaare bei dem von Adtranz zu Bombardier Transportation firmierten Unternehmen. 2010 soll die Lieferung abgeschlossen sein. Mein früherer Lehrbetrieb "LEW Hennigsdorf", der nun auch zum Bombardier Konzern gehört, hat mit den Steuerpulten und den Führerstandskabinen zu dieser Lieferung beigetragen.

Nach MTAB-Angaben senkt das rechnergestützte Informations- und Diagnosesystem der IORE Loks deutlich die Betriebs- und Unterhaltungskosten gegenüber den früheren Loks. Die IORE Loks sollen nun endgültig die Dm3 Loks ablösen.

MTAB hat die Lok-Betriebsnummern des Herstellerwerkes beibehalten und ihnen zusätzlich die Namen der Streckenstationen der Erzbahn gegeben. So erhielt die erste Lokhälfte 101 den Namen Polcirkeln, während die 2. Lokhälfte 102 den Namen Malmberget erhielt.

Das Foto zeigt ein "Blaues Monster" noch ohne Namen der Streckenstationen, vor einem beladenen Erzzug.

Andere Länder haben mit Interesse den Erolg der Kraftpakete aus Kassel verfolgt. Im Frühjahr 2007 hat Bombardier mit dem chinesichen Eisenbahnministerium und der dortigen Lokfabrik Dloco einen Auftrag unterzeichnet. Bis 2011 sollen 500 Loks vom Typ Kiruna in China gebaut werden.

Die IORE Lok hat Roco als einziger Modellbahnhersteller in Spur H0 hergestellt. Anfangs noch ohne Namen der Erzbahnstationen, sind die Loks mit Namen zu einem derart begehrtem Sammelobjekt geworden, dass man sie heute kaum noch bekommt. 

Das später einzusetzende Foto meiner IORE Lok von Roco, zeigt sie mit den Betriebsnummern 101 - 102, ohne Namen der Erzbahnstationen. Auf meiner Anlage zieht sie allerdings etwas artfremd einen Kesselwagenzug.

Anzufügen wäre noch, dass die Loks zur Überführung nach Schweden nicht auf Bundesbahngleisen wegen ihres Gewichtes gefahren werden konnten. Für den Transport des Lokkastens mit inneneinrichtung, wurden extra leichtere Drehgestelle angefertigt und für den Transport montiert. 

Das Foto zeigt ein verladenes Drehgestell. Deutlich zu erkennen ist der Stahlbalken vor der ersten Achse. 

Das Gesamtpaket IORE Einzellokhälfte wurde auf 5 Waggons mit den Drehgestellen und den abmontierten Teilen und Ersatzteilen über den Ostseehafen Rostock und der Scandlines-Fähre nach Trelleborg befördert. Dort nun auf schwedischen Schienen, wurd der Zugverband nach Kiruna überführt.

Dort wurden die Loks von Adtranz- bzw. später von den selben Mitarbeitern des Bombardierteams komplettiert, in Betrieb genommen und später betreut.

Die Fotos der IORE Loks verdanke ich Dipl.Ing. Peter Christener aus der Schweiz, der die Loks mit seinen Kollegen in Kiruna in Betrieb genommen und später betreut hat. Auf dem Foto ist er in Kiruna rechts außen mit seinem Team zu sehen.